Obwohl es bereits viele tausend Schönheits- und Körperpflegeprodukte gibt, forscht die kosmetische Industrie unermüdlich an neuen chemischen Wirkstoffen. Dabei geht es darum, Modetrends zu folgen oder zu setzen oder den Konsumenten mit vorgeblichen Neuheiten zu locken: Die neuen Sommerfarben der Lidschatten-Kollektion, das Shampoo mit der garantierten Anti-Schuppenformel oder das ultrafeste Haargel lassen die Kassen der Hersteller klingeln. Jeder dieser Stoffe und die daraus hergestellten Endprodukte werden in der Regel im Tierversuch getestet. Mindestens 38.000 Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten, Mäuse und andere Tiere müssen dafür jedes Jahr allein in der EU leiden und sterben.
Welche Tierversuche werden für Kosmetikprodukte durchgeführt? Die Palette der für Kosmetikprodukte durchgeführten Verträglichkeitsprüfungen umfasst gut ein Dutzend, durchweg äußerst grausamer und schmerzhafter Tierversuche, wie z.B.:
Akute Giftigkeit (Toxizität) Ratten oder Mäuse erhalten die Substanz per Magensonde eingegeben. Je nach Art und Menge des verabreichten Stoffes winden sich die Tiere stundenlang in Krämpfen, sie leiden an Durchfall, Fieber, Schüttelfrost oder Lähmungen.
Chronische Giftigkeit (Toxizität) Nagetiere erhalten die Prüfsubstanz in einer geringen Dosis über mehrere Wochen regelmäßig verabreicht.
Hautreizungstest Die Prüfsubstanz wird Kaninchen auf die geschorene Haut aufgetragen. Wirkt die Substanz hautreizend, entstehen schmerzhafte Entzündungen.
Augen-/Schleimhautreizung (Draize-Test) Die Testsubstanz wird Kaninchen in die Augen geträufelt. Anschließend werden die Schäden beobachtet: Je nach Art und Dosierung des Stoffes kommt es zu schmerzhaften Entzündungen und schweren Verätzungen des Auges.
Hautallergietest Meerschweinchen wird die Prüfsubstanz in die Haut gespritzt, um das Immunsystem der Tiere zu stimulieren. Löst die Testsubstanz bei nochmaligem Kontakt allergische Reaktionen aus, so kommt es zu schmerzhaften Hautentzündungen.
Schädigende Wirkung durch Sonnenlicht (Phototoxizität) Die Prüfung wird an Ratten oder Meerschweinchen durchgeführt und ähnelt sehr dem Hautallergietest. Der Stoff wird in die Haut gespritzt. Bei der anschließenden Bestrahlung mit UV A-Licht werden die Tiere stundenlang in enge Plastikröhren gesteckt, in denen sie sich nicht bewegen können.
Hautabsorptionstest Die Testsubstanz wird bei Ratten auf die Haut aufgetragen. Die Tiere werden isoliert in so genannten Stoffwechselkäfigen gehalten. Harn-, Kot- und evtl. auch Blutproben der Tiere werden auf Vorhandensein der Testsubstanz untersucht.
Frucht-/ oder keimschädigende Wirkung (Teratogenität) Die Substanz wird trächtigen Ratten oder Kaninchen verabreicht. Die Tiere werden zu verschiedenen Zeitpunkten der Trächtigkeit getötet, um zu beurteilen, ob der Stoff das Muttertier schädigt und/oder die normale Entwicklung der Früchte beeinflusst. Bei teratogenen Substanzen kommt es zu Missbildungen oder Totgeburten.
Krebsauslösende Eigenschaften (Kanzerogenität) Die Prüfsubstanz wird Ratten oder Mäusen verabreicht. Es wird untersucht, ob die Tiere Tumore entwickeln.
Warum sind die Tierversuche überflüssig? Die kosmetische Industrie führt als Grund für die Durchführung von Tierversuchen die Verbrauchersicherheit an. Angeblich können nur Tierversuche die Unbedenklichkeit der Kosmetika garantieren und vor möglichen Schäden durch ein neues Produkt schützen. Doch in Wahrheit tragen Tierversuche nichts zur Sicherheit der Verbraucher bei. Die Ergebnisse der Experimente lassen sich wegen der vielfältigen anatomisch-physischen und psychischen Unterschiede zwischen Mensch und Tier sowie zwischen Tieren untereinander nicht auf den Menschen übertragen. Tierversuche bieten niemals eine Gewähr dafür, ein sicheres Produkt in den Händen zu halten. Nur der Einzelne, und oft erst nach Jahren, kann für sich feststellen, wie das eine oder andere neue Erzeugnis bei ihm gewirkt hat. Erst wenn sich ein Produkt jahrzehntelang bewährt hat, ohne dass es beim Menschen zu Schäden gekommen ist, kann von einer Unbedenklichkeit gesprochen werden. Dass Tierversuche nichts zur Sicherheit der Verbraucher beitragen, zeigt die Latte der Schadensfälle, die immer wieder auftreten: Erinnern wir uns an den Skandal 1986, als in diversen Shampoos und Badezusätzen große Mengen des krebsfördernden Dioxan gefunden wurden. Wenig später fand die Stiftung Warentest zum Teil die fünffache Menge der zugelassenen Höchstkonzentrationen von krebserzeugenden Schwermetallen wie Arsen, Barium, Blei und Quecksilber in vielen Lippenstiften, Wimperntuschen und Lidschatten. Künstliche Duftstoffe, die in Parfüms, Seifen und Körperlotionen vorkommen, sind gesundheitlich bedenklich und umweltschädlich, berichtete 1995 die FAZ. Sie sind biologisch schwer abbaubar und gelangen über das Abwasser in Flüsse und Seen, wo sie sich im Fettgewebe von Fischen und Muscheln anreichern. Das Verbrauchermagazin Öko-Test fand im Jahr 2001 in 18 von 22 Blondierungsmitteln gesundheitsbedenkliche Farbstoffe und krebsverdächtige Konservierungsmittel.
Warum werden Tierversuche im Kosmetikbereich tatsächlich gemacht? Bei den Kosmetikherstellern zeichnen sich deutliche Parallelen zur Vorgehensweise der Pharmaindustrie ab. Beide sichern sich mit Tierversuchen vor Ersatzansprüchen bei möglichen Schadenfällen ab. Tierversuche dienen damit der Sicherheit des Produzenten, nicht des Verbrauchers – sie haben lediglich eine Alibifunktion. Nun könnte man meinen, dass sich das Risiko der Industrie reduzieren ließe, indem auf altbewährte Inhaltsstoffe und Produkte zurückgegriffen würde. Doch der oberste Grundsatz aller Unternehmen in den Industriestaaten liegt nun mal in der Gewinnmaximierung. Mit seit langem etablierten Erzeugnissen lässt sich der Kampf um Image und Marktanteile kaum gewinnen. So werden für das Profitstreben der Konzerne immer neue Kosmetika und Körperpflegemittel auf den Markt geworfen. Produkte, die niemand braucht und die unzählige Tiere mit ihrem Leben bezahlen müssen. Ein weitere Grund für das Festhalten am Tierversuch hat ebenfalls mit der Profit-Strategie der Konzerne zu tun. In manchen Ländern sind Tierversuche für Kosmetika vorgeschrieben. Wer also seine Seife oder Sonnecreme weltweit vertreiben will, wird diese zuvor in Tierversuchen testen.
Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? Eine Lösungsmöglichkeit wäre, auf die Neuentwicklung von Schönheits- und Körperpflegemittel zumindest weitgehend zu verzichten und lieber auf bewährte Produkte zurückzugreifen. Einige wenige Firmen tun dies bereits. Doch auch für Unternehmen, die auf neue Kosmetikprodukte setzen, gäbe es eine Alternative. Für alle der oben genannten gängigen Tierversuche existieren bereits Testverfahren, die mit schmerzfreier Materie arbeiten – so genannte In-vitro-Methoden. Die Verwendung solcher Reagenzglastests ist nicht nur ethisch unbedenklich, ihre Ergebnisse sind auch zuverlässiger und aussagekräftiger. Zudem sind die Tests schneller und billiger als die herkömmlichen Tierexperimente. Damit sind diese modernen Systeme dem Tierversuch in allen Punkten überlegen.
Beispiele für In-vitro-Tests im Bereich der Verträglichkeitsprüfungen von Kosmetika:
Akute Giftigkeit (Toxizität) Mit Hilfe von menschlichen oder anderen Säuger-Zellkulturen lässt sich die Giftigkeit von kosmetischen und anderen chemischen Produkten untersuchen. Die Zellen reagieren sehr empfindlich und sterben bei Zugabe von giftigen Stoffen ab.
Hautreizungstest Die Substanz wird an isolierter menschlicher Haut oder Zellkulturen menschlicher Hautzellen überprüft. Verschiedene Testsysteme sind im Handel erhältlich.
Augen-/Schleimhautreizung (Draize-Test) Beim HET-CAM-Test wird die direkt unter der Schale eines bebrüteten Hühnereis liegende Haut, die Venen und Arterien, aber keine Nerven enthält, verwendet. Die zu testende Substanz wird auf die Haut geträufelt und die Reaktion beobachtet.
Schädigung des Erbgutes (Mutagentitätstest) Beim Ames-Test (Mutationstest mit Bakterien) macht man sich die Tatsache zu nutze, dass das Erbgut aller Lebewesen im Prinzip gleich aufgebaut ist. Erbgutveränderungen lassen sich auch in permanenten (unsterblichen) Zellkulturen von Säugetieren überprüfen.
Schädigende Wirkung durch Sonnenlicht (Phototoxizität) Der 3T3-Neutralrot-Test beruht auf dem Prinzip, dass Zellen einer bestimmten permanenten Mäusezelllinie, nach Zugabe einer schädigenden Substanz und UV-Licht Bestrahlung, nicht mehr in der Lage sind, einen roten Farbstoff aufzunehmen.
Hautabsorptionstest Die Überprüfung kann auch an menschlichen Hautproben stattfinden.
Frucht-/ oder keimschädigende Wirkung (Teratogenität) Es gibt zahlreiche In-vitro-Tests, zum Beispiel mit isolierte Embryonen von Mäusen, Ratten oder Kaninchen (Embryokultur), mit unsterblichen Mäusezelllinien (Embryo-Stammzell-Test) oder mit Zellen von Mäuseembryonen (Limb Bud Micromass-Test).
Krebsauslösende Eigenschaften (Kanzerogenität) Für den so genannten Transformationstest werden Zellkulturen aus Hamsterembryonen oder Mäusezelllinien verwendet. Auch menschliche Leber- und Hautzellen eigenen sich.
Wie sieht die rechtliche Situation aus? Ein beliebtes Argument, mit dem die kosmetische Industrie gern die Durchführung von Tierversuchen verteidigt, sind die angeblichen gesetzlichen Auflagen, nach denen Tiertests vorgeschrieben seien. Dies ist nicht der Fall. In Deutschland gibt es keine gesetzliche Bestimmung, nach der Tierversuche zwingend vorgeschrieben sind. Einzig die Unbedenklichkeit der Produkte, und damit die Sicherheit der Verbraucher, muss gewährleistet sein. Auf welche Weise diese Sicherstellung vorgenommen wird, bleibt den Firmen überlassen. Schon 1986 wurden mit Inkrafttreten des damals neuen Tierschutzgesetzes Tierversuche für dekorative Kosmetika verboten. Diese Vorschrift war jedoch gänzlich ungeeignet, Tiertests für die Entwicklung dieser Produkte zu verhindern. Zum einen fiel die gesamte Palette der pflegenden Kosmetika nicht darunter und zum anderen war die Abgrenzung zwischen dekorativen und pflegenden Mitteln äußerst schwierig. Die Hersteller deklarierten selbst Lidschatten und Lippenstift als pflegend und konnten so das Verbot leicht umgehen. Seit 1998 sind laut Tierschutzgesetz Tierversuche für die Entwicklung sowohl der dekorativen als auch der pflegenden Kosmetikprodukte und sowohl für ihre Rohstoffe als auch die Endprodukte, untersagt, solange sie nicht unter das Chemikaliengesetz fallen. Ausnahmen sind erlaubt. Doch auch heute noch wird es der Industrie durch eine Gesetzeslücke leicht gemacht, Tierversuche trotz des Verbotes durchzuführen. Das Verbot gilt nur für Rohstoffe, die ausschließlich für Kosmetika verwendet werden. Da dies bei den wenigsten Inhaltsstoffen der Fall ist, können die Substanzen nach den Vorgaben des Chemikaliengesetzes im Tierversuch geprüft werden. Seit 1993 wurde versucht, auf Europaebene eine gesetzliche Regelung zu finden. Doch das längst überfällige Verbot der Kosmetiktierversuche und die Einfuhr tierversuchsgetesteter Kosmetika wurde wieder und wieder hinausgeschoben oder verwässert. Nach jahrelangem Tauziehen trat die 7. Änderung der Kosmetikrichtlinie (Richtlinie 2003/15/EC) am 11. März 2003 in Kraft. Der Inhalt in Kürze:
* Ab 11.09.2004 EU-weites Verbot von Tierversuchen für kosmetische Fertigprodukte. * Ab 11.09.2004 EU-weites Verkaufsverbot von an Tieren getesteten Kosmetikprodukten und -rohstoffen, wenn von der EU anerkannte 'alternative' Testmethoden vorhanden sind. * Ab 11.09.2009 EU-weites Verbot von Tierversuchen für Kosmetik-Rohstoffe. * Ab 11.03.2009 EU-weites Verkaufsverbot für an Tieren getestete Kosmetikprodukte und -rohstoffe für die meisten der routinemäßig eingesetzten Tiertest, unabhängig davon, ob für diese bereits tierversuchsfreie Verfahren vorhanden sind oder nicht. * Ab 11.03.2013 Verkaufsverbot für an Tieren getestete Kosmetikprodukte und -rohstoffe für drei Tiertests (Giftigkeit bei wiederholter Gabe, Reproduktions-Giftigkeit, Toxikokinetik (Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechslung und Ausscheidung einer Substanz)). Dieses Verbot kann weiter in die Zukunft verschoben werden, wenn bis zu diesem Datum keine anerkannten tierversuchsfreien Tests zur Verfügung stehen.
Gibt es überhaupt tierversuchsfreie Kosmetika? Fakt ist, dass die chemische Industrie erst mit Beginn des vorigen Jahrhunderts ihre Entwicklung begonnen hat, der Mensch aber schon seit Tausenden von Jahren Körperpflege, das Färben von Haaren (mit Henna) und Kleidungsstücken beherrschte. Solche seit Jahrtausenden in der menschlichen Alttagskultur verwendeten Stoffe im Tierversuch zu testen, ist genauso abwegig, als wenn man die Giftigkeit von Wasser ermitteln wollte. Denn Wasser – das weiß jedes Kind – ist ungiftig, obwohl die Erfahrung lehrt, dass man auch in Wasser ertrinken kann. Doch die chemische Industrie testete selbst anerkannt ungiftige Substanzen, wie Jojobaöl oder Olivenöl. Im Grunde sind alle Inhaltsstoffe von kosmetischen Erzeugnissen irgendwann einmal im Tierversuch auf ihre Giftigkeit hin untersucht worden. Insofern kann eigentlich nicht von »tierversuchsfreien« Produkten gesprochen werden.
Wie kann ich helfen? Wichtigstes Kriterium bei der Vergabe von Siegeln ist das Datum, ab dem für die Inhaltsstoffe keine Tierversuche mehr gemacht worden sein dürfen. Dieses variiert bei den einzelnen, im Umlauf befindlichen Kosmetik-Listen. Auch gibt es Unterschiede hinsichtlich der Kontrolle. Eine Liste, die sich lediglich auf die Informationen der Hersteller verlässt, ist weniger vertrauenswürdig als durch unabhängige Instanzen kontrollierte Angaben. Schließlich sollte noch ein Kriterium sein, ob eine Firma ausschließlich vegane Produkte anbietet, d.h. Produkte, die keine Substanzen von toten oder lebenden Tieren enthalten. Auch wenn es »Tierversuchsfreiheit« im Kosmetikbereich nicht gibt, gilt generell: Mit der Unterstützung von Firmen, die sich zu einer tierversuchsfreien, veganen Firmenpolitik bekennen, zeigen Sie den großen, Tierversuche durchführenden Konzerne die rote Karte. Außerdem tun Sie nicht nur den Tieren einen Gefallen, sondern auch sich selbst. Die verwendeten Inhaltsstoffe sind allesamt seit Jahrzehnten auf dem Markt, d.h. mögliche schädliche Nebenwirkungen hätte sich schon längst beim Menschen gezeigt. Die Verwendung solcher Mittel ist also nicht nur tierfreundlich, sondern auch gesundheitlich unbedenklich. In der Positiv-Liste des Deutschen Tierschutzbundes sind Firmen aufgeführt, die keine Tierversuche durchführen und nur Inhaltsstoffe verwenden, die seit 1979 nicht mehr im Tierversuch getestet wurden. Der Humane Cosmetic Standard (HCS) ist ein in Europa und den USA verbreitetes Siegel der European Coalition to End Animal Experiments ( http://www.eceae.org) und der Coalition for Consumer Information on Cosmetics ( http://www.leaping-bunny.org). Weder Inhaltsstoffe noch Endprodukte dürfen ab einem vom Hersteller festgelegten, fixen Stichtag in Tierversuchen getestet worden sein. Die Angaben der Firmen werden durch unabhängige Kontrollinstanzen regelmäßig überprüft. Den HSC gibt es zurzeit nicht in Deutschland.