Ich weiß es noch ganz genau: Es war Silvester/Neujahr 2005/2006. Mir ging es an diesem Tag nicht so gut. Bin bei einem Kumpel gewesen aber wusste vorher schon, dass ich wieder nach Hause fahre und habe somit keinen Alkohol getrunken.
Der Abend war recht nett. Gab auch einige, die einiges getrunken haben, aber es hat sich alles im Rahmen gehalten. Dann war es soweit: 12 Uhr. Wir haben angestoßen und irgendwo ging auch schon das erste Glas kaputt. Zwei Minuten später waren wir draußen um wie üblich Raketen und Knaller abzulassen. Wie gesagt: Mir ging es nicht so gut und ich hatte Lust zu gar nichts. Habe mich da das erste Mal gefragt, was der Mist überhaupt soll. Sinnlos Geld ausgeben für sinnloses Verballern und sinnloses Luft verpesten? Dazu sich den Arsch abfrieren und auf glatter Straße tanzen? Ok, die Lichter der Raketen am Himmel haben mir ja noch gefallen, aber was sollte das Geballer?
Noch während ich am drüber nachdenken war, dachte ich, ich gucke nicht richtig. Hält da tatsächlich ein besoffener Vollidiot einen Böller in der Hand obwohl der schon längst angezündet war. Hätte ich mich nicht sofort auf ihn gestürzt und ihm den Böller aus der Hand geschlagen, wäre dieser 100%ig in seiner Hand losgegangen. Was dann ist kann man sich ja wohl denken. Dreiste Reaktion dieser Person: Ey bleib mal ganz locker, Alter! Junge, junge, dem hab ich was erzählt!
Und damit war der Abend für mich gelaufen. Ich habe mich flüchtig verabschiedet und bin ins Auto. Hatte 12 km bis nach Hause. Musste dazu langsam fahren, weil die Straßen sehr glatt waren. Ich habe für die 12 km knapp 45 Minuten gebraucht und dabei Todesangst gehabt. Immer wieder haben Jugendliche Böller auf die Straße geworfen obwohl sie gesehen haben, dass ein Auto kam. Manche haben es womöglich sogar absichtlich gemacht. Einmal war ich so wütend und wollte aussteigen und die Jugendlichen zur Sau machen. Gut, dass ich angehalten habe! Denn kaum stand mein Auto landete direkt davor eine Rakete. Ich weiß genau: Wäre ich weiter gefahren, wäre die in meiner Windschutzscheibe gelandet. Nun gut, bin dann weiter gefahren und habe die besoffenen Jugendlichen außer Betracht gelassen.
Als ich dann endlich zu Hause bei meinen Eltern angekommen war hatte es sich draußen schon sehr beruhigt. Klar, war ja auch schon 1 Uhr. Ich dann rein, ab ins Wohnzimmer. Hatte mich eigentlich gefreut, dass unser damals ein halbes Jahr alter kleiner Hund mich vor Freude anspringen würde. Immerhin war ich ja einige Stunden nicht da und er wusste ja, dass ich weg war. Aber Pustekuchen. Habe kaum die Tür aufgemacht, saß er zitternd in einer Ecke des Raumes und kläffte mich an, als wäre ich ein Einbrecher oder sonst wer. Bin dann auf ihn zu, wollte ihn streicheln und beruhigen, aber er hat so mit den Zähnen gefletscht, dass ich doch lieber Abstand gehalten habe. Meine Eltern haben mir erzählt, dass er so war, seit das mit dem Ballern draußen losging. Er wusste nicht, wo er hin laufen sollte, hat das Haus zusammengekläfft und dort sogar seine Geschäfte erledigt obwohl er längst stubenrein war. Als dann einige Tage später wieder ein Böller losging, rannte er wieder durch das ganze Haus und hat gekläfft wie sonst nicht was.
Ca. eine Woche lang ließ er keinen an sich ran, saß/lag nicht wie üblich auf dem Sofa zwischen meinen Eltern sondern hat sich meist in einer Ecke verkrochen. Am wenigsten wollte er etwas mit mir zu tun haben. Vielleicht dachte er, dass ich das Geballer gemacht habe. Ich weiß es nicht. Im Laufe des Januars hatte sich dann alles wieder normalisiert. Das Jahr 2006 ging vorüber und da war er wieder: Der 31.12. In diesem Jahr bin ich bewusst zu Hause geblieben um zu schauen, was passiert. Es war nicht ganz so extrem wie das Jahr davor, aber er hat spürbar Angst gehabt. Dieses Mal waren wir alle an seiner Seite und er weiß, dass das Geballer da draußen keiner von uns ausgelöst hat.
Nun ist auch das Jahr 2007 fast vorbei. Im Sommer bin ich zu Hause ausgezogen, wohne jetzt in meinen eigenen vier Wänden. Dieses Jahr werde ich Silvester wahrscheinlich nicht bei meinen Eltern verbringen und bin schon ganz Bange, wie unser Hund auf mich reagieren wird, wenn er mich im Jahr 2008 das erste Mal sieht. Wahrscheinlich bin ich dann für ihn wieder der Schuldige. Und mir tut es verdammt weh, wenn ich weiß, dass jemand (und ja, ein Hund ist auch ein Lebewesen!) Angst hat, obwohl man ihm diese Angst schnell nehmen könnte: