„Tierretter in Israel“ Mann mit Blasrohr liegt vor einem Unterschlupf; Rechte: WDR (TV-Bild) Avi Kuzi ist bekannt für seine spektakulären Einsätze
Wenn der auffällige Geländewagen von Avi Kuzi in Israel unterwegs ist, wissen die Leute, dass es um ein Tier in Not geht. Und wenn das Fahrzeug am Straßenrand parkt, fragen Passanten spontan, ob sie helfen können.
Der 40-jährige Tierschützer aus Tel Aviv ist der Experte, wenn Hund, Katze, Ente oder Marder gerettet werden müssen. Für seine spektakulären Aktionen ist er im ganzen Land bekannt. Er seilt sich in einen tiefen Brunnen ab, klettert Hochhausfassaden hinunter, kriecht durch die Kanalisation, wenn es nötig ist, um ein Tier aus seiner misslichen Lage zu befreien.
In der Armee war er als Sanitäter bei Kampfeinsätzen (combat medic)im Einsatz, sagt er. Daher hat er sein Handwerkszeug gelernt: in Gefahrensituationen ruhig zu bleiben, die eigene Angst zu beherrschen, unter Stress zu improvisieren und Leben zu retten. Sein Telefon klingelt stündlich, immer wieder auch mitten in der Nacht – weil jeder weiß, dass Avi, wenn es um Tiere geht, keine Pause, keinen Schlaf und keine Gefahr kennt. Mann streichelt zwei Hunde; Rechte: WDR (TV-Bild) Oft werden die Tierschützer nur um Rat gefragt
Nicht immer wird er zu schwierigen Einsätzen gerufen, oft werden ihm nur Fragen gestellt: zum Beispiel, wie ein gefundenes Vögelchen zu behandeln sei, was zu tun sei, wenn der Nachbar seinen Hund vernachlässigt, wer die Kastration einer Straßenkatze bezahlt usw. Oder es geht nur um kleine Aktionen: die Katzen einer alten Dame zum Tierarzt bringen, einen verletzten Kater unter einem Auto hervorholen, einen entlaufenen Hund oder ein einsames Opossumbaby einfangen.
Wegen seiner Kompetenz und Zuverlässigkeit arbeitet auch das für Tierschutz zuständige Büro im Umweltministerium regelmäßig mit Avi Kuzi zusammen und bezahlt seine Einsätze immer dann, wenn es keine privaten Aufträge sind. Ohne finanzielle Unterstützung, ohne Honorar könnte er sich nicht so effektiv rund um die Uhr der Tierrettung widmen. Tierschützer in Israel
Auch wenn Avi der Einzige ist, der in Israel aufwendige Tierrettung übernimmt – ein Einzelkämpfer ist er nicht. Es gibt sehr aktive und einsatzfreudige Tierschützer, die in den letzen 20 Jahren viel erreichen konnten.
Als er am Anfang seines Engagements die Polizei über einen Tierquäler informierte, winkte man ab, es sei ja nur ein Hund, nur eine Katze, erzählt Benny Schlesinger. „Als ich kürzlich einen Mann gemeldet habe, der seinen Hund schlug, da rückten gleich Polizei und Feuerwehr an. Tierquäler werden heute erst einmal verhaftet.“
Benny Schlesinger ist ein erprobter Kämpfer für Tierrechte, leitete ein großes Tierheim in Tel Aviv, organisierte zahlreiche Demonstrationen und steht neuerdings dem Zusammenschluss israelischer Tierschutzvereine vor. Seine letzte große Aktion: Als die Stadtverwaltung die viel zu große Anzahl herrenloser Katzen durch Gift reduzieren wollte, sprühten Tierschützer über Nacht mit Hilfe einer Schablone folgende Grafik auf Wände und Straßen: unter dem Umriss einer laufenden Katze die Worte „Tötet mich nicht!“. „Wir haben viel Dreck gemacht, aber ich glaube, es hat geholfen. Es wurde kein Gift ausgelegt“.
Vor allem in der weltoffenen Stadt Tel Aviv findet man auffallend viele tierliebe Menschen. In Cafés, auf den Straßen im Zentrum, am Strand (an reinen Badestränden außerhalb der Saison) – überall sieht man Menschen mit ihren Hunden, mehr Mischlinge als Rassehunde. Außerdem sieht man viele Hundebesitzer, die ein Plastiksäckchen an die Leine gebunden haben, um die Hinterlassenschaft entfernen zu können.
Auch Katzen geht es gut. An jeder Ecke stellen Hausbewohner Schälchen mit Futter auf. Täglich ziehen Tierfreunde herum und füttern wilde Katzen am Strand. Das Häuschen von Benny Schlesinger in Jaffa, der malerischen uralten Stadt unweit von Tel Aviv, ist zu bestimmten Zeiten umlagert von Streunerkatzen, die auf ihre Mahlzeit warten. Alle sind gut genährt und gesund, die meisten kastriert.
Mit sanfter Überzeugungskraft hat Benny auch seine vielen arabischen Nachbarn, das heißt arabische Israelis, für Tierschutz gewinnen können. Nun werden die zahlreichen Streuner freundlich geduldet. Immer öfter stehen Essensreste für die Katzen vor seiner Türe. Meist zwar Dinge, die die Tiere gar nicht fressen sollen – dennoch eine rührende, wichtige Geste. Das israelische Tierschutzgesetz von 1994 Viele Hunde in einem Freigehege; Rechte: WDR (TV-Bild) Tierschutz ist auch in Israel gesetzlich verankert
Das Gesetz verbietet Tierquälerei und Gewalt gegen Tiere, egal ob vom Menschen ausgeübt oder von Tieren – so zum Beispiel in Hundekämpfen. Das Landwirtschaftsministerium ist für die Umsetzung zuständig, das Umweltministerium übernimmt die Aufgabe, Menschen als Tierschutz-Trustees (Treuhänder, Sachverwalter) anzuwerben und einzusetzen. Sie haben den Auftrag, Beschwerden nachzugehen, Verstöße gegen das Tierschutzgesetz aufzuspüren, weiterzuleiten und notfalls, dank besonderem Zugang zur Polizei, sofortiges Einschreiten zu veranlassen.
Ein jährlich neugeordneter Etat steht für die Finanzierung dieses Projekts, für Erziehung und Aufklärung, für die Unterstützung von Tierschutzorganisationen zur Verfügung. Das Töten herrenloser Haustiere wird, wenn deren Zahl zu groß ist, von einigen Kommunen durchgeführt und auch von Tierschutzvereinen propagiert. Dagegen steht eine wachsende Zahl von Aktivisten und Organisationen. Inzwischen dürfen lästige Tiere nicht mehr weggefangen und getötet werden. Stattdessen wird das „Einfangen-kastrieren-aussetzen“-Konzept propagiert, vor allem seitens des leitenden Veterinärs der Stadt Tel Aviv, Dr. Galin. Er setzt sich massiv für Tierschutz und Tierrechte ein. Die Kosten für Kastration von Streunern übernimmt die Stadt. Immer mehr Kommunen folgen seinem Beispiel. Gefährliche Aktion
Der spektakulärster Einsatz von Avi Kuzi fand vor Jahren in der Wüste statt: Ein Kamel hatte sich in ein Minenfeld verirrt. Ein Fuß war zerfetzt worden, und das Tier wagte sich nicht mehr vor noch zurück. Das rief Tierschützer auf den Plan, auch Benny Schlesinger und den Verein „Let the Animals live“.
Die Armee hatte konsequent verboten, das Minenfeld zu betreten – es herrschte absolute Lebensgefahr. Aber das Tier wartete schon über zehn Tage ohne Versorgung, ohne Wasser und Futter. So rückte ein Kran an, Avi ließ sich durch die Luft heben und neben dem Kamel absetzen.
Benny Schlesinger: „Ich habe fast einen Herzanfall bekommen. Hätte sich das Tier erschreckt und bewegt, Avi hätte sterben können.“ Aber dieser näherte sich so vorsichtig und einfühlsam, dass sein Schützling trotz Angst und schrecklicher Schmerzen ruhig stehen blieb, duldete, dass Avi es streichelte, mit ihm sprach, dann anseilte, eine Kapuze über seinen Kopf zog und schließlich mit ihm in die Höhe gezogen wurde. So schwebten beide hoch über den tödlichen Minen in Sicherheit. Autorin: